»Ich wollte eine persönliche Begegnung eigentlich hinauszögern, bis Sie unser Angebot endgültig angenommen hätten. Andererseits kann es auch nicht schaden, wenn wir einander kennenlernen. Meine Besuche auf Sarr werden immer spärlicher. Die Chance, daß wir einander begegnen, falls wir uns nicht einig werden können, ist sehr gering.«
»Dann haben Sie also Ihre Finger in irgendeiner illegalen Sache?« Ken konnte sich diese Frage erlauben, da der andere diesen Umstand deutlich hatte anklingen lassen. Die Gegenseite würde sicher davon ausgehen, daß er nicht auf den Kopf gefallen war.
»Illegal, ja, wenn man das Gesetz engherzig auslegt. Meine Ansicht, die im übrigen von vielen geteilt wird, ist folgende: Wenn jemand einen bewohnten Planeten entdeckt, ihn auf eigene Kosten erforscht und mit den Bewohnern Beziehungen anknüpft, dann hat er das moralische Recht, davon zu profitieren. Und das ist in groben Zügen unsere Situation.«
Kens Stimmung sackte ab. Es sah so aus, als wäre er genau mit jener Sorte kleiner Gaunerei in Berührung gekommen, die er insgeheim befürchtet hatte. Er würde Rade auf diese Weise nicht viel weiterhelfen können.
»Dieser Standpunkt hat sicherlich einiges für sich«, äußerte er vorsichtig. »Aber was kann ich für Sie tun? Ich bin kein Sprachwissenschaftler und habe so gut wie keine Ahnung von Wirtschaft, falls Sie Schwierigkeiten in dieser Hinsicht haben sollten.«
»Schwierigkeiten haben wir, aber auf einem anderen Gebiet. Sie ergeben sich aus der Tatsache, daß der fragliche Planet starke Unterschiede zu Sarr aufweist. Landungen auf diesem Planeten sind unmöglich. Nur unter allergrößten Schwierigkeiten gelang es uns, persönlichen Kontakt mit einer Gruppe Eingeborener herzustellen. Ob mit einer Gruppe oder einem einzelnen Individuum, das können wir nicht unterscheiden.«
»Nicht unterscheiden? Können Sie denn keine Torpedosonde mit einer Fernsehanlage hinunterschicken?«
»Na, Sie werden ja selbst sehen.« Das noch immer namenlose Individuum reagierte mit einem unangenehmen Lächeln. »Jedenfalls haben wir es geschafft, mit diesem oder diesen Eingeborenen einen kleinen Handel aufzuziehen. Die haben etwas, was wir gebrauchen können. Wie Sie sich denken können, bekommen wir das Zeug bloß tröpfchenweise. Das Heranschaffen größerer Mengen – das ist im Grunde genommen das Problem, mit dem Sie sich beschäftigen werden. Sie könnten irgendeine Möglichkeit ausknobeln, persönlich dort zu landen, aber Sie sind kein Ingenieur. Mir schwebt eher vor, daß Sie die Bedingungen auf dem Planeten genau analysieren – Atmosphäre, Temperatur, Lichtverhältnisse und so weiter, damit wir diese Bedingungen an einem für uns geeigneteren Ort reproduzieren und das Produkt selbst erzeugen können. Damit würden wir uns auch den Preis ersparen, den die Eingeborenen fordern.«
»Klingt ganz einfach. Mir fällt dabei auf, daß Sie sich über die Natur dieses Produkts ausschweigen, bis auf den Umstand, daß es pflanzlicher Natur ist. Aber das stört mich nicht. Ich hatte mal einen Freund in der Parfümbranche. Er war der reinste Geheimniskrämer, auch wenn es sich um primitivste Chemie handelte. Ja, ich will es versuchen, aber ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß ich bei weitem nicht der beste Chemiker der Galaxis bin. Außerdem habe ich keine Apparate dabei, da ich nicht wußte, was Sie von mir wollen. Ist an Bord vielleicht etwas vorhanden?«
»An Bord nicht. Wir haben den Planeten vor etwa zwanzig Jahren entdeckt und eine einigermaßen solide und funktionsfähige Basis auf dem innersten Planeten des Systems errichtet. Er hat eine Hälfte ständig der Sonne zugewandt. In einem kleinen Tal nahe des Pols konnten wir so viel Sonnenlicht konzentrieren, daß die Temperatur erträglich ist. Dort haben wir ein anständiges Labor und eine Werkstatt mit einem ausgezeichneten Techniker, einem gewissen Feth Allmer. Falls Sie etwas brauchen sollten, was wir dort nicht haben, können wir es Ihnen holen. Na, wie hört sich das an?«
»Richtig gut. Ich nehme den Auftrag an und werde tun, was ich kann.« Kens Stimmung hatte sich gebessert, teils weil die Arbeit an sich interessant zu sein schien, teils wegen einiger Bemerkungen des anderen. Falls das Produkt eine Pflanze war, und es sah ganz danach aus, so bestand immerhin eine kleine Möglichkeit, daß er sich auf der richtigen Spur befand. Zwar war von der Notwendigkeit der Kühlung nicht ausdrücklich die Rede gewesen. Nach allem, was er bis jetzt zu hören bekommen hatte, konnte der Planet ebensogut zu heiß wie zu kalt sein. Was er allerdings von der Sonne dieses Systems gesehen hatte, ließ das erstere zweifelhaft erscheinen. Und dann diese Bemerkung, daß man auf dem innersten Planeten zusätzlich Wärme konzentrierte – nein, der Planet war kalt. Ganz entschieden. Die Chancen standen wieder besser. Er riß sich von diesen Gedanken los, als er bemerkte, daß sein Chef, falls es sich um das Haupt des Unternehmens handelte, wieder etwas sagte.
»Ich war sicher, daß Sie annehmen würden. Sie können anfordern, was Sie wollen, jetzt gleich. Sie können dieses Schiff nach Belieben verwenden und müssen sich bloß nach Ordon Lees Veto richten, falls er meint, das Schiff befinde sich in Gefahr.« Ein biegsamer Tentakel deutete auf den Piloten, als der Name fiel. »Übrigens, ich bin Laj Drai. Sie arbeiten für mich, eine Tatsache, die Sie sich stets vor Augen halten sollten, zu unserer beider Wohl. Nun, was sollte Ihrer Meinung nach als erstes in Angriff genommen werden?«
Ken hielt es für besser, Drais Bemerkung bezüglich seines höheren Ranges zu überhören und dessen Frage mit einer anderen Frage zu beantworten.
»Haben Sie irgendwelche Proben von Atmosphäre oder Boden dieses Planeten?«
»Nicht von der Atmosphäre. Es ist uns nicht geglückt, eine Probe davon zu behalten. Vielleicht sind wir dabei nicht richtig vorgegangen. Einer der Zylinder, die wir einholten, hatte ein Leck und fing an, in unserer Atmosphäre zu brennen. Vielleicht können Sie mit dieser Tatsache etwas anfangen. Wir besitzen Proben vom Erdreich, die aber samt und sonders unserer Luft ausgesetzt wurden und sich vielleicht verändert haben. Das müssen Sie selbst entscheiden. Ich weiß nur, daß die Atmosphäre einen Druck von zwei Drittel Sarr-Normal besitzt, und daß die Temperatur auf dem Planeten so niedrig ist, daß sie die Gase unserer eigenen Atmosphäre gefrieren läßt – ich glaube, dort würde sogar Kalium gefrieren. Unser Techniker behauptete, genau das sei einem unserer Apparate passiert, der seinen Geist aufgab.«
»Wie steht es mit der Größe?«
»Größer als Sarr – die genauen Werte haben wir auf unserer Basis auf Planet Eins vorliegen.
Es ist einfacher, wenn Sie dort nachsehen. Ich kann mir die genauen Werte einfach nicht merken, und ehrlich gesagt, allzu genau sind die Werte ohnehin nicht. Sie sind hier der Wissenschaftler. Meine Leute sind bloß Augen und Tentakel in Ihren Diensten.
Natürlich verfügen wir auch über ferngesteuerte Torpedosonden. Bevor Sie eine solche einsetzen, lassen Sie es mich lieber wissen. Von den ersten zwanzig, die wir zur Planetenoberfläche schickten, gingen neunzehn verloren. An der Stelle, wo die zwanzigste endlich niederging, haben wir einen Sender hinterlassen, und den peilen wir bei jeder Landung an. Was mit den anderen Sonden los war, wissen wir nicht, obwohl wir es uns denken können. Aber das erzähle ich Ihnen alles ganz genau, wenn Sie sich das Material ansehen. Möchten Sie noch etwas erledigen, ehe wir die Nachbarschaft des Planeten verlassen und Nummer Eins ansteuern?«
»Was heißt hier Nachbarschaft? Ich dachte, Sie sagten, es wäre gar nicht der fragliche Planet.« Ken deutete mit einem Tentakel auf den kraterdurchsetzten Halbmond.
»Der ist es auch nicht, das ist nur der Satellit von Nummer Drei, dem Planeten, der uns interessiert.«
Ken bekam eine Gänsehaut. Der Satellit war furchteinflößend. Der Planet konnte, wenn überhaupt, dann nur geringfügig wärmer sein, da die Entfernung von der Sonne in etwa dieselbe war. Sicher, eine Atmosphäre stellte eine kleine Verbesserung dar, aber trotzdem – diese Kälte! Eine Kälte, die Kalium, Blei und Zinn gefrieren ließ! Daran hatte er eigentlich noch keinen Gedanken verschwendet. Sein Vorstellungsvermögen war gut, vielleicht sogar zu gut. Und er begann sich praktisch aus dem Nichts das Bild einer bis ins Innerste gefrorenen Welt auszumalen. Rauh, von eisigen Stürmen blankgefegt, ein Planet des Todes, in dessen mattem, rötlichem Licht sich nichts regte.
Halt, das konnte nicht stimmen. Der Planet war bewohnt. Ken versuchte sich vorzustellen, welche Art von Leben unter diesen gräßlichen Bedingungen es wohl geben mochte. Er schaffte es nicht. Möglich, daß Laj Drai sich in der Temperatur geirrt hatte. Er hatte gesagt, daß die Werte nicht gesichert wären. Sie beruhten einzig und allein auf Vermutungen des Technikers.
»Wenn wir schon in der Nähe sind, dann wollen wir uns den Planeten mal ansehen. Ich bin auf das Schlimmste gefaßt«, sagte er an diesem Punkt seiner Überlegungen. Laj Drai gab dem Piloten ein Zeichen, und das Heck der Karella drehte sich langsam. Der luftlose Satellit glitt aus dem Blickfeld, Sterne huschten über den Sichtschirm. Das Schiff mußte eine Drehung von hundertachtzig Grad gemacht haben, ehe Planet Drei selbst auftauchte. Jetzt mußten sie sich direkt zwischen Planet und Satellit befinden, dachte Ken. Nicht sehr klug, falls die Bewohner über Teleskope verfügten.
Da sie die Sonne im Rücken hatten, war die Scheibe der großen Welt hell erleuchtet. Anders als der kahle Mond zeigte der verschwommene Umriß, daß eine Atmosphäre vorhanden war, obwohl Ken sich nicht vorstellen konnte, welche Gase sie enthalten mochte. Trotz des eindeutig rötlichen Sonnenlichtes wies die Planetenoberfläche zum größten Teil eine Blaufärbung auf. Einzelheiten waren nicht zu erkennen. Die Atmosphäre war sehr dunsthaltig. Es gab deutliche Flecken in Weiß, Grün und Braun. Was sie darstellten, war nicht auszumachen.